Sie wollen einen Gnadenantrag stellen?
“Gnade vor Recht ergehen lassen” – so hieß es früher einmal. Heute ist das Verfahren der Begnadigung weitgehend verrechtlicht: “Wie” über die Frage der Begnadigung zu entscheiden ist, wird in den Gnadenordnungen der Bundesländer geregelt. Auch das “Ob”, der Begnadigung ist teilweise geregelt, insbesondere, in welchen Fällen eine Begnadigung nicht in Betracht kommt. Das Gnadenverfahren steht deshalb nicht mehr außerhalb des Rechts, die “Gnade ergeht nicht vor Recht”, sondern das Gnadenrecht ist ein eigenes Rechtsgebiet.
Wer einen Gnadenantrag bzw. ein Gnadengesuch stellen will, muss sich über eines im Klaren sein: Die Erfolgsaussichten eines Gnadenantrags sind gering. Rechtskräftige Gerichtsentscheidungen ordentlicher Gerichte sollen nur in absoluten Ausnahmefällen durch eine Gnadenentscheidung korrigiert werden. Die Gnade soll besondere Härten des Gesetzes, Irrtümer bei der Urteilsfindung und nachträglich entstandene Unbilligkeiten ausgleichen. Es bedarf also besonderer Gründe für eine positive Gnadenentscheidung. Gerade weil die Chancen gering sind, ist es umso wichtiger, sich über das Gnadenverfahren zu informieren, bevor man einen Gnadenantrag stellt. Wer sich nicht informiert, verschlechtert durch seine Unkenntnis die ohnehin schon geringen Chancen eines Antrags.
Gnadenantrag – Kann ein Rechtsanwalt helfen?
Ich bin davon überzeugt, dass ein Rechtsanwalt helfen kann, die Erfolgsaussichten eines Gnadenantrags zu verbessern. Ein Anwalt, der Erfahrungen mit der Stellung von Gnadenanträgen hat, weiß, worauf es ankommt. Eine ausführliche und sorgfältige Begründung eines Antrags kann die Erfolgschancen erheblich verbessern. Und schließlich gibt es Fallgruppen, in denen Gnade häufiger gewährt wird, als in anderen Fällen – manchmal sind die Aussichten auf einen erfolgreichen Gnadenantrag vergleichsweise gut. Ein Anwalt kann Ihnen helfen, diese Aussichten Ihres Gnadenantrags realistisch einzuschätzen. Dazu zählt auch, dass er Ihnen möglicherweise darlegt, dass in Ihrem Fall ein Gnadenantrag keine realistischen Chancen hat, weil die Gründe für eine Begnadigung nicht ausreichen. Und schließlich gibt es Ausschlussgründe für eine Begnadigung: Lässt sich zum Beispiel das angestrebte Ziel auch mit rechtlichen Mitteln erreichen – zum Beispiel durch einen Wiederaufnahmeantrag – dann kann ein Gnadenantrag keinen Erfolg haben. Ein Anwalt wird diese Möglichkeiten prüfen, bevor er einen Gnadenantrag stellt.
Deshalb meine Ratschläge:
- Informieren Sie sich vor einem Gnadenantrag!
- Lassen Sie sich vor einem Gnadenantrag von einem Rechtsanwalt beraten!
- Beauftragen Sie einen Rechtsanwalt mit Ihrem Gnadenantrag!
Was ist ein Gnadenantrag:
Ein Gnadenantrag – auch bezeichnet als Gnadengesuch – ist kein Rechtsmittel im eigentlichen Sinn. Der erfolgreiche Gnadenantrag kann aber nach Rechtskraft des Urteils die Rechtsfolgen des Urteils entweder ganz oder wenigstens teilweise beseitigen – für den Verurteilten ist der Gnadenantrag damit das allerletzte Mittel, das er ergreifen kann, um die Vollstreckung einer Strafe ganz abzuwehren oder aufzuschieben.
Was kann erreicht werden?
Was Gegenstand eines Gnadenantrags sein kann, ist gesetzlich nicht geregelt. Die Gnadenordnungen der Länder (für das Gnadenrecht des Bundes gilt die Gnadenordnung von 1935) enthalten teilweise Aufzählungen über den möglichen Inhalt von Gnadenerweisen. Da diese Aufzählungen aber nicht abschließend sind, kommt ihnen nur beispielhafte Bedeutung zu.
Die wichtigsten Fallgruppen, in denen Gnadenanträge in der Praxis eine Rolle spielen, sind:
- Strafaufschub und Strafunterbrechung
- Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung
- Aussetzung einer Restfreiheitsstrafe zur Bewährung
- Ganzer oder teilweiser Erlass von Freiheitsstrafen (regelmäßig erst nach Ablauf einer Bewährungszeit)
Dies sind auch gleichzeitig die Fallgruppen, in denen bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände ein Gnadenantrag vergleichsweise gute Erfolgsaussichten hat – was nicht heißt, dass nicht auch andere Ziele mit einem Gnadenantrag erfolgreich verfolgt werden können.
Gnadenantrag – Vorher Rechtsmittel ausschöpfen!
Bei allen Gnadenanträgen ist zu beachten, dass ein Gnadenerweis immer erst dann in Betracht kommt, wenn die rechtlichen Möglichkeiten zur Erlangung des angestrebten Ziels ausgeschöpft sind. Geht es dem Verurteilten beispielsweise um einen Strafaufschub, will er also die Freiheitsstrafe erst zu einem späteren Zeitpunkt antreten, dann geht der Antrag auf vorübergehenden Vollstreckungsaufschub nach § 456 StPO vor. Nur dann, wenn ein entsprechender Antrag abgelehnt wurde, wenn die Gründe für einen Antrag nach § 456 StPO nicht vorliegen oder wenn ein Aufschub von mehr als vier Monaten begehrt wird, kommt ein Gnadenantrag in Betracht.
Häufig sieht das Gesetz schon Erleichterungen für den Verurteilten vor, so dass für einen sinnvollen Gnadenantrag kein Raum mehr bleibt. Bei einer Verurteilung zu einer Geldstrafe werden beispielsweise gemäß § 459a StPO Zahlungserleichterungen gewährt, um besondere Härten für den Verurteilten auszugleichen. Deshalb sind im Bereich der Geldstrafe erfolgreiche Gnadenanträge weitgehend ausgeschlossen. Hauptanwendungsfall für den Gnadenantrag bleibt deshalb die Freiheitsstrafe, und zwar vor allem die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung im Gnadenweg.